„Geliebte, wir sind nun Gottes Kinder“ (1. Joh. 3:2)

Kennen Sie das Sprichwort: „Der Mensch ist ein Gewohnheitstier“? Jeder von uns könnte sicher eine ganze Reihe von Beispielen aufzählen, bei denen dieses Sprichwort in der Tat zutrifft.

Insbesondere im Alltag entscheiden wir uns oft für die naheliegendste, bekannte Lösung. Weil es einfach ist. Weil es bequem ist. Und weil wir intuitiv darauf vertrauen, dass das Bekannte die beste Option ist. Man gewöhnt sich schnell an alles Mögliche, nicht wahr? Manchmal ist uns dieses Gewohnheitsbedürfnis bewusst, und dann gibt es eben auch Situationen, in denen man sich ganz unbewusst und schnell an etwas gewöhnt.

Hier nur ein kleines Beispiel: Mein Mann und ich hatten in einem Land, in dem man auf der linken Straßenseite fährt, für eine Woche ein Auto gemietet. Der Blinker war nicht links, sondern rechts am Lenkrad. Es dauerte ein paar Tage, bis wir aufhörten, den Scheibenwischer links zu betätigen, obwohl wir doch den Blinker brauchten. Als wir wieder zu Hause waren und mit unserem eigenen Auto fuhren, hatten wir uns schon daran gewöhnt, den Blinker rechts zu suchen. Wir mussten beide darüber lachen, wie schnell man doch zu einem „Gewohnheitstier“ wird.

Nun, wenn wir uns bewusst sind, dass wir uns etwas abgewöhnen müssen, dann treffen wir auch gleich die nötigen Entscheidungen. Das war in unserem Fall leicht, denn im Straßenverkehr muss man sich ja an gewisse Regeln halten, und deshalb ging das Umdenken recht schnell. Wie steht es aber mit Gewohnheiten, die wir uns abgewöhnen sollten, die uns aber gar nicht bewusst sind?

Schauen wir einmal, was Mary Baker Eddy darüber schreibt. In ihrem Buch Vermischte Schriften 1883-1896 (S.119:13-20) schreibt sie: „Die Natur des einzelnen, hartnäckiger als die Umstände, wird immer für sich rechten – für eigene Gewohnheiten, Neigungen und Süchte. Diese materielle Natur strebt danach, den Waagebalken zuungunsten der geistigen Natur zu neigen, denn das Fleisch streitet wider den GEIST – wider alles und alle, die dem Bösen widerstehen – und wiegt schwer gegenüber der hohen Bestimmung des Menschen.“

In Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift schreibt Mary Baker Eddy etwas, was jedem ehrlichen Leser dieses Buches ins Gewissen reden sollte, und zwar: „Jesu göttliche Vorschriften für das Leben und Heilen werden nur von wenigen verstanden und befolgt. Warum? Weil seine Vorschriften vom Jünger verlangen, die rechte Hand abzuhauen und das rechte Auge auszureißen – das heißt, sogar die teuersten Ansichten und Gewohnheiten aufzugeben und alles für Christus zu verlassen.“ (S. 141:4)

Eine knallharte Aussage, nicht wahr? Wer von uns hat schon einmal ernsthaft darüber gebetet, um herauszufinden, welche ‚teuren‘ Ansichten und Gewohnheiten es für ihn aufzugeben gibt, um „Jesu göttliche Vorschriften für das Leben und Heilen“ befolgen zu können?

Im Zusammenhang mit meiner Arbeit als Pflegerin der Christlichen Wissenschaft habe ich mich oft mit dem Thema ‚Kinder‘ beschäftigt, den „Repräsentanten von LEBEN, WAHRHEIT und LIEBE“, wie Mrs. Eddy so schön in Wissenschaft und Gesundheit sagt. (S. 582: 28)

Schauen wir uns diesbezüglich eine von Jesu Vorschriften genauer an. Er sagte im Matthäus-Evangelium: „Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, dann werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.“

(Mt. 18:3) Diese Aussage war übrigens seine Antwort auf die Frage seiner Jünger: „Wer ist denn der Größte im Himmelreich?“ (Mt. 18:1)

Wir Erwachsene sollen also wie die Kinder werden. Was heißt das genau? Wie sind denn Kinder so?

Kinder

– sind begeisterungsfähig

– selbstlos

– erfrischend neugierig

– haben originelle Problemlösungen

– haben ungewöhnliche Verhaltensweisen

– sind sehr phantasiereich

– lassen sich nicht in ein enges Schema von Gleichförmigkeit zwingen

– haben einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, nicht nur auf sich selbst,

sondern auch auf andere bezogen

– haben eine spontane, ausgesprochen emphatische Hilfsbereitschaft

– haben eine ausgeprägte Offenheit für alles Mögliche

– haben oft eine große Liebe zu Tieren und zur Natur

– reagieren, wenn es wirklich darauf ankommt, prompt und meist souverän

– sind äußerst kreativ

– sind begeisterungsfähig und schnell von etwas fasziniert

– sind nach einem Streit nicht nachtragend, wenn sich der Streitpartner ernsthaft entschuldigt hat (auch noch nach Jahren!).

Außerdem haben Kinder ein uneingeschränktes Vertrauen auf ihre Eltern. Sie fragen sich beim Einschlafen nicht, ob Mama und Papa morgen noch für sie da sein werden; sie fragen sich auch nicht, ob sie morgen genug zu essen bekommen werden; sie zerbrechen sich nicht den Kopf über ein gestriges Geschehnis oder darüber, welches Problem wohl morgen auf sie zukommt.

Kinder leben in der Gegenwart.

Kinder sind sorglos. So sollten wir als Erwachsene auch sein. Und das können wir, wenn wir wissen, dass unsere Mama und unser Papa, unser aller Vater-Mutter-Gott, sich stets liebevoll um uns kümmert. Jesus sprach Gott mit „Abba“ an, wie wir wissen. „Abba“ kommt aus dem aramäischen und bedeutet „Vater“, also eine vertraute Anrede. Mrs. Eddy sprach Gott mit „mother darling“ an. Welch eine zärtliche, kindliche Beziehung sie doch zu Gott hatte, nicht wahr?

Diese unbeschwerte Sorglosigkeit der Kinder kommt auch bei ihrer Fortbewegung zum Ausdruck. Sie hüpfen, sie rennen, sie steigen rauf und runter, sie bewegen sich unermüdlich, und wenn sie hinfallen, stehen sie wieder auf und rennen weiter. Und wenn sie mal nicht gleich weiterrennen, dann wissen sie ja, dass Mama oder Papa ihnen hilft aufzustehen. Und sie wissen auch ganz gewiss, dass Mama oder Papa sie trösten, falls nötig.

Kinder sind unbeschwert. Genau so sollten wir auch sein. Und das können wir auch, wenn wir wissen, dass unser aller Vater-Mutter-Gott seinen Engeln befohlen hat, uns auf unseren Wegen zu behüten, uns auf den Händen zu tragen, damit unser Fuß nicht an einen Stein stößt. (s. Ps. 91:11, 12)

Kinder sind stets bereit für Neues, für anderes, für immer neue Abenteuer. Deshalb fallen sie nie in eine mürrische Routine oder langweilen sich. Kinder sind stets aktiv und unermüdlich auf der Suche nach neuen Experimenten. So sollten wir auch sein, denn „Sieh, ich mache alles neu! (Off. 21:5)

Was hält uns Ihrer Meinung nach davon ab? Sind es nicht Gewohnheiten, Routine, Vorsicht, Misstrauen in die eigenen Fähigkeiten, Angst vor dem Ungewissen, Angst im Allgemeinen?

Jesus verlangt von uns, wir sollten umkehren und wie die Kinder werden. Mrs. Eddy erklärt Jesu Worte so: „Die Bereitwilligkeit, wie ein kleines Kind zu werden und das Alte für das Neue aufzugeben, macht das Denken für die vorgeschrittene Idee empfänglich. Die Freudigkeit, die falschen Orientierungspunkte zu verlassen, und die Freude sie verschwinden zu sehen – diese Einstellung hilft die endgültige Harmonie herbeizuführen.“ (W&G S. 323:34-5)

Einer meiner Jungs, als er etwa 4 Jahre alt war, hatte anscheinend Ohrenschmerzen. Er wollte so gern raus auf die Straße, um mit den anderen Kindern zu spielen, aber er saß weinend auf dem Sofa. Ich setzte mich neben ihn und erzählte ihm anhand von ganz einfachen absoluten Wahrheiten von der unendlichen Liebe Gottes, dass dieser liebe Gott ihn niemals leiden lassen würde. Da schaute er mich plötzlich überrascht an. Sein Gesichtsausdruck verwandelte sich augenblicklich von Kummer zur Freude, und er sagte: „Ach ja? Na dann kann ich ja raus zum Spielen. Darf ich?“ Und schon war er draußen, keine Spur mehr von Ohrenschmerzen.

Dieser kleine Bub hatte den falschen Orientierungspunkt, d.h. die Empfindung in der Materie, verlassen, und er war bereit, die Wahrheit über sein geistiges Sein zu akzeptieren, ohne sie im Geringsten zu hinterfragen. So sind Kinder – ein Beispiel für uns Erwachsene, nicht wahr?

Auch wenn es uns schwer fällt, umzukehren und „wie ein kleines Kind zu werden und das Alte für das Neue aufzugeben“, so ist es doch nicht unmöglich. Ich möchte Ihnen erzählen, was ich als Pflegerin der Christlichen Wissenschaft erlebt habe:

Ich kümmerte mich einmal eine Zeitlang um eine Dame reiferen Alters in Paris. Sie lebte ganz allein und hatte Schwierigkeiten bei der Fortbewegung. Ich besuchte sie einmal pro Woche, um mit ihr die Lektion zu lesen, mit ihr einkaufen zu gehen usw. Sie war oft deprimiert und hatte sich angewöhnt, zu glauben, dass, wenn sie sterbe, all ihre Probleme gelöst seien. Solch eine Einstellung war natürlich für mich als Pflegerin der Christlichen Wissenschaft überhaupt nicht hilfreich, da ich doch Zeuge einer Heilung werden wollte. Deshalb tat ich mein Bestes, meine Gedanken zu korrigieren und die Dame immer nur im richtigen Licht zu sehen. Es war mir damals ganz klar bewusst, dass sie als vollkommene Idee Gottes nie die kindlichen Eigenschaften von Zuversicht, Sorglosigkeit, Unbeschwertheit und Vertrauen in das Gute verloren hatte und dass sie diese Eigenschaften uneingeschränkt und ewiglich zum Ausdruck bringt. Sie hatte sich ja nur zur Gewohnheit gemacht, zu glauben, sie sei alt, unnütz und eine Last für andere.

So ging es eine Zeit lang, dann bemerkte man kleine Veränderungen. Zum Beispiel fing sie wieder an, sich zu schminken und Schmuck anzulegen. Eines Tages war sie schon fertig und chic angezogen, als ich ankam, damit wir gleich mit einem Taxi losfahren konnten, um in der Stadt allerhand zu besorgen, nicht für sie selbst, muss ich betonen, sondern für andere, denen sie eine Freude bereiten wollte. Auch bestellte sie ganz allein einen Maler, der ihr Küche und Bad neu streichen sollte. Bevor der Maler kam, stellte sie wohlweislich eine zweite Zahnbürste in den Becher, damit, wie sie mir sagte, er nicht glaube, sie lebe allein und er könne sich an sie heranmachen. Da wurde mir erst bewusst, wie jung sie sich eigentlich fühlte! Sie schmiedete Pläne für sich selbst und für andere, wie und wem sie denn etwas Gutes tun könnte. Sie hatte sich auch völlig abgewöhnt, den Tod herbeizuwünschen. Sie war aktiv, freudig und lebenslustig.

Aus dieser Erfahrung sehen wir, wie wichtig es ist, falsche Ansichten und Gewohnheiten fallen zu lassen und freudig in die Zukunft zu schauen, nicht wahr?

Ein letzter Punkt, den ich ansprechen möchte, ist Unschuld, kindliche Unschuld.

Gehen wir nochmal zurück zur Bibel. Wir alle kennen viele Stellen, in denen Gott als der gute Hirte bezeichnet wird, sei es in den Psalmen oder in den Evangelien. Der Hirte hütet die Schäfchen, nicht wahr? Und die Schäfchen hören auf die Stimme ihres Hirten, sie folgen nur ihm. Genauso beschreibt Mrs. Eddy das Wort ‚Schafe‘ im Glossar „SCHAFE. Unschuld; Arglosigkeit; diejenigen, die ihrem Hirten folgen.“ (W&G S.594:12) Warum ist es so wichtig, sich immer als unschuldiges Schäflein zu bekennen? Mary Baker Eddy beantwortet dies im Lehrbuch so: „Es ist Irrtum, für etwas anderes als für deine eigenen Sünden zu leiden.“ (W&G S. 391:14-15)

Einer von meinen Söhnen rief mich eines Abends an und fragte mich, ob ich ihm nicht helfen könne. Er meinte, er hätte eine schlimme Halsentzündung, denn er konnte schon seit ein paar Tagen weder richtig schlucken, geschweige denn essen oder trinken, und gut schlafen konnte er deshalb auch nicht. Ich machte mich also an die Arbeit. Meine Suche nach Inspiration führte mich zum Johannesevangelium, und zwar zum „Guten Hirten“. Dort las ich, dass der gute Hirte seine Schäflein mit Namen ruft und sie hinausführt, dass er vor ihnen hergeht und sie ihm folgen, weil sie seine Stimme kennen. Dem Fremden werden sie nicht folgen, sondern sie werden vor ihm fliehen, denn sie kennen die Stimme des Fremden nicht. (s. Joh. 10:3-5)

Da wusste ich, dass mein Sohn eines dieser unschuldigen Schäflein ist, dass er einzig und allein auf die Stimme des guten Hirten hört und auf keine andere, auf die Stimme, die zu ihm sagt: du bist unschuldig, du bist mein geliebtes Kind, fürchte dich nicht. Kurz danach schickte er mir eine Nachricht, dass es ihm schon viel besser gehe. Doch eine Stunde später schrieb er mir erneut und sagte, dass es auf einmal noch viel schlimmer schien. Da wandte ich mich direkt an Gott und fragte Ihn, was es hier zu verstehen gebe. Mir fiel ein, dass mein Sohn mir erzählt hatte, sein Onkel hätte sich über ihn lustig gemacht, weil er sich weigere, Medikamente zu nehmen und jetzt hilflos im Bett liege. Da wusste ich, was zu behandeln war: der Glaube, weder die Christliche Wissenschaft noch ich seien fähig zu heilen! Es war für mich ein Leichtes, diese Annahme zurückzuweisen, zumal ich schon viele Beweise von der Macht der göttlichen Wissenschaft erlebt habe. In dieser Hinsicht gab es für mich keinerlei Zweifel. Danach hörte ich nichts mehr von ihm und ging ins Bett. Am nächsten Tag kam mein Sohn zum Mittagessen, er aß völlig normal. Ganz nebenbei sagte er mir: „Das war komisch gestern Abend. Ich ging noch mal ins Badezimmer, um mir die Zähne zu putzen, dann war ich auf einmal schrecklich müde, bin ins Bett gegangen und schlief wie ein Bär.“

Zum Schluss möchte ich noch einmal Mary Baker Eddy zitieren und zwar aus Vermischte Schriften (S.110:4). Dort betont sie:

„Geliebte Kinder, die Welt braucht euch – und mehr als Kinder denn als Männer und Frauen: sie braucht eure Unschuld, Selbstlosigkeit, treue Liebe, eure unbefleckte Lebensführung. Ihr müsst auch wachen und beten, dass ihr diese Tugenden unbefleckt bewahrt und sie nicht durch die Berührung mit der Welt verliert. Welch höheres Streben könnte es geben, als das in euch zu erhalten, was Jesus liebte, und zu wissen, dass euer Beispiel mehr als eure Worte die Sittlichkeit der Menschheit bestimmt!“

Andrea Landart